„Kinder fragen nach Philosophie und Theologie.“ Daniel Stickan im Interview, Evangelische Zeitung 16.04.2017
Gott im Nebel, Eis und Regen
Daniel Stickan hat für Hamburger Kinder eine eigene Wassermusik geschrieben
Evangelische Zeitung 16.04.2017, Nr.15 NK
Der Lüneburger Komponist Daniel Stickan begleitete die Hamburger Kinder- und Jugendkantorei durch das Projekt Wassermusik. Kinder blubberten im Taufbecken – und erfuhren spielerisch von der Trinitätslehre. Die CD zur Aufführung ist im Handel erhältlich. Catharina Volkert sprach mit dem Musiker.
Wie klingt Wasser für Sie?
Daniel Stickan: Vielfältig. Das hängt natürlich davon ab, in welchem Zustand sich Wasser befindet. Genau das ist das Thema der Wassermusik – die verschiedenen Aggregatzustände: Wasser kann fest sein oder flüssig, es kann rauschen. Die Brandung des Meeres tost. Wasser in der Luft wird zu Tropfen, die prasseln können. Eis knistert, Schnee knirscht. Nebel macht kein Geräusch mehr.
Wie nutzen Sie diese Geräusche in der „Wassermusik“?
Die Geräusche des Wassers waren eine schöne Zutat des Stücks. Die Kinder haben viel ausprobiert und etwa Schläuche in ein Wasserbecken gehalten und hineingepustet, um zu blubbern. Damit illustrierten sie die Taufe Jesu und sein Hineinsteigen in den Jordan.
Die Kinder sollten also Erfahrungen mit dieser Klangwelt sammeln?
Richtig. Wir haben die Kinder gefragt: „Wo kommt bei euch Wasser vor?“ Da haben sie erzählt, wie vielfältig die Erfahrung mit Wasser ist: Schwimmbad, Nordseeurlaub, Skifahren oder Regenbogen. Mit der Änderung des Wassers ändert sich ihre Sicht auf die Welt. Ich kenne das selbst von meinen eigenen Kindern – wenn es draußen schneit, sind sie in einem ganz anderen Modus.
Wie entstand die Wassermusik?
Zu Beginn stand nur das Thema: Wasser. Ich wollte auf keinen Fall ein Musical schreiben. Mein Stück ist eher eine Collage, die eine innere Dramaturgie hat, aber sich wenig festlegt. Ich mag es, wenn es mysteriös wird. Und ich glaube, dass das, was Kinder beschäftigt, auf einem Niveau liegt, auf dem man viel erzählen kann. Sie fragen nach Philosophie und Theologie.
Ist Ihnen das gelungen?
Ich habe natürlich gemerkt, dass meine Vorstellungen ganz anders sind als die der Kinder. Denn sie waren erst mal fasziniert von den offensichtlichen Dingen. Die Wasservögel, Tonpfeifen, die mit Wasser gefüllt waren, fanden sie ganz toll. Und sie fanden die Lieder sehr schön. Zum Glück, die Kinder haben ja die Texte auswendig lernen müssen. Sie können ja noch nicht nach Noten singen. Dann haben sie morgens am Frühstückstisch zum Erstaunen ihrer Eltern Goethe und Rilke rezitiert. Mir war es wichtig, dass die Texte auch für die Eltern anregend sind. Dafür braucht es eine gewisse Qualität.
Sie haben die Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig als Chiffre für die Trinität verwendet.
Das hilft, den trinitarischen Gott zu verstehen. Die Aggregatzustände stehen für verschiedene Wahrnehmungen Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Und doch ist er eine Einheit. Zu dem Bild hat mich mein Schwager, ein Theologe, inspiriert. Ich mag das Bild, weil es einerseits sehr klar und andererseits auch sehr dynamisch ist.
Wie erklären Sie die Trinitätslehre anhand des Wassers?
Wir haben im Team mit den Theologen der Katharinenkirche diskutiert, wie deutlich die Grenzen dieser Denkfigur sein sollen. Der Geist als Wind – das ist eine etablierte Zuordnung. Aber wenn Gott Eis ist, dann sagt das nicht viel aus, höchstens im Hinblick auf Ewigkeit. Und die „Lebensfeindlichkeit“ von Eis passt auch nicht ins Bild. Eine klare Zuordnung haben wir deswegen vermieden. Gerade durch Eindeutigkeit verliert die Chiffre ja ihre Kraft. Sie soll nicht den „Gegenstand Gott“ erklären, sondern etwas lebendig machen, was hinter den Worten liegt.
Wofür steht das Wasser in der Bibel in Ihrer „Wassermusik“?
Das Stück fängt mit einer Frage ans Wasser an. Im ersten Lied heißt es: Wo kommst du her? Wo gehst du hin? Wenn man das weiterdenkt, folgt die Frage, wo das Wasser überhaupt herkommt. Und da hilft die Physik irgendwann nicht mehr weiter. Als Christen haben wir die Schöpfungsgeschichte. Es wird damit eine theologische Frage. Und im weiteren Sinn sagt Gott auch über sich selbst: „Ich will euch geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers.“ Wasser, das ist Gott.