„Botschaft zwischen Freude und Mysterium“ von Tom R. Schulz; Hamburger Abendblatt; 2.1.14

02.01.14

Botschaft zwischen Freude und Mysterium

Das Album „Waves“ von Daniel Stickan und Uwe Steinmetz sucht nach Vergleichbarem

Von Tom R. Schulz

Hier kommt Musik für Leute, die sich von nichts abschrecken lassen, schon gar nicht vom Höchsten. Denn von nichts Geringerem handelt die halb komponierte, halb in der Improvisation gefundene Musik auf dem Album „Waves“.
Neben absolut eigenständigen Interpretationen von Stücken so ausgewählter Figuren wie Brian Blade, Wayne Shorter oder Nick Drake haben Daniel Stickan (Kirchenorgel und Spielzeugklavier) und Uwe Steinmetz (Saxofon) auch Psalmen und Bibelworte vertont. Mit ihren Klängen, bei denen man sehr lange nach Vergleichbarem suchen muss, schaffen sie eine Atmosphäre geistiger Freiheit und geistlicher Offenheit, die jede Assoziation an betuliches Gitarrengeschrammel auf Jugendgottesdiensten vergessen lässt. Wenn es so etwas gibt wie avancierte, spirituelle Musik – hier ist sie.
Einigen Anteil daran hat die israelische Sängerin Efrat Alony, die bei manchen Stücken die stupenden technischen und klanglichen Möglichkeiten ihrer Stimme mit der Wirkungsmacht einer Magierin in die Waagschale der Musik wirft.
Stickan, in Hamburg ausgebildeter Organist und Jazzpianist, und Steinmetz spielen ihre Botschaft zwischen Freude und Mysterium mit der inwendigen Sicherheit von Musikern, die ihre Gaben als Gnade empfinden, derer sie sich würdig erweisen wollen. Der große Hallraum der Kirche St. Michaelis in Hildesheim, in der ihre Aufnahme entstand, gefährdet die Intimität ihrer Musik ebenso wenig, wie er sie ins Pathetische aufbläht.
Wohl gibt es gewaltige, ja gewalttätige Momente in den Improvisationen, eine über alle Ufer tretende Kraft. Doch bleibt ihr Zentrum, ihr Demutskern, stets gegenwärtig. Diese Platte ist für die Wählerischen, für die, die nicht so viel Musik hören, dann aber richtig. Strahlend umgibt sie, was beim Menschen (für die meisten von uns) unsichtbar bleibt: Aura.

QUELLE:
http://www.abendblatt.de/kultur-live/article123454160/Botschaft-zwischen-Freude-und-Martyrium.html